Demonstrationen sind eine tolle Sache! Damit zeigen Menschen, dass sie
politisch interessiert sind. Deshalb
freut
sich z.B. auch unser Bundesinnenminister Schäuble nach eigenen
Aussagen über die angekündigten Demonstrationen zum
G8-Gipfel
Anfang Juni in Heiligendamm. Allerdings dürfen die Demonstranten
natürlich nicht den geplanten Ablauf des politischen Alltags stören.
Dafür müssen Innensenatoren, Verwaltungsgerichte und Polizei schon
sorgen. Schön und gut, wenn Teile der Bevölkerung politische
Entwicklungen und konkrete Entscheidungen öffentlich kritisieren
möchten. Es sei Ihnen gewährt! Wozu haben wir schließlich in Deutschland
Versammlungsfreiheit?
Aber doch bitte nicht in Innenstädten oder Touristenzentren. Und schon
gar nicht in der Nähe von Regierungssitzen und Tagungsorten! Das ginge
deutlich zu weit! Demonstrationszüge und Kundgebungen gehören auf
vorübergehend gesperrte Ortsumgehungsstraßen und abgelegene Plätze! Das
jedenfalls wird immer mehr die gängige Praxis unserer Regierungen. So
geschehen auch am
vergangenen
Wochenende in Hamburg. Meinungsäußerung ja, aber doch bitte keine
Aufdringlichkeiten seitens der Bevölkerung! Wo kämen wir denn hin, wenn
die Politiker den Protestmarsch auch noch ansehen oder anhören müssten?!
Am Ende würden sie sich noch vom Volk unter Druck gesetzt fühlen!!
Deshalb mein Vorschlag für die Zukunft: Schallisolierte,
stacheldrahtbewehrte Demonstrationsareale mit vorinstallierten,
hochauflösenden Kameras und Wasserwerfern für alle Fälle. Eintrittskarten
für die genehmigungspflichtigen und zeitlich begrenzten Demonstrationen gibt
dann die Bundespolizei in Zusammenarbeit mit der Bundeswehr aus - gegen
Vorlage des Personalausweises und nach Abgabe einer Geruchsprobe. Man
kann ja nie wissen. Nicht bewilligte und/oder andernorts inszenierte
Proteste sollten selbstverständlich unter das Antiterrorgesetz fallen.
Das kann man übrigens alles unter dem Motto "Innerstädtische
Demonstrationsfreiheit" einführen. Denn dann werden die Stadtzentren
endlich demonstrationsfrei bleiben.
Veröffentlicht: 30.05.2007, 18:28 Uhr
Die Wirtschaft brummt, der Aufschwung boomt. Vielleicht herrscht ja
deshalb seit einigen Monaten unter unseren Politikern so eine
Bombenstimmung. Die Bundeswehr wollte gern die amerikanischen
Friedenstruppen beim Bomben in Süd-Afghanistan unterstützen und deshalb
ein paar Tornados zum Ausspähen der geeignetsten Ziele hinschicken. Und
so um die 500 Mann. Endlich nicht mehr nur dieses Pille-palle im eher
ruhigen Norden Afghanistans. Schließlich hatten wir doch schon seit 1999
keinen wirklichen Einsatz mehr mit richtigen Toten unter den Zivilisten
und so. Das Kabinett war spontan dafür. Dem Volk wurde das als
gewaltlose Friedensmission verkauft. Allerdings hörte sich schon der
Name der Flugzeuge nicht so recht humanitär an. Jedenfalls waren die
Deutschen je
nach
Umfrage zu 69 oder gar
77
Prozent dagegen.
Aber die Bundestagsabgeordneten mochten sich die bombige Atmosphäre
nicht von den Bürgern vermiesen lassen. Also bliesen sie den Skeptikern
den Marsch und stimmten zu. Auch die Verfassungsrichter hatten keine
akuten Bedenken. Warum auch?! Wo war denn der Unterschied zu dem
völkerrechtswidrigen Einsatz der
Bundeswehr
im Kosovo 1999? Und so hält die mordsmäßige Laune weiter an und
übersteht auch ohne weiteres
erhöhte
Kosten. Mindestens 50 Millionen statt der geplanten 35 soll die
Mission kosten. Peanuts. So ein Krieg ist eben teuer. Aber was muss, das
muss. Bei sowas kann man nicht erst jeden Cent umdrehen. Außerdem: Wozu
sparen wir denn sonst bei den Sozialausgaben?
Veröffentlicht: 10.05.2007, 16:37 Uhr
Sehr geehrter Herr Thierse,
nun ist also die Kommunalwahl in Sachsen-Anhalt vorüber. Die
Wahlbeteiligung war bei der heutigen Stichwahl in 5 Landkreisen noch
niedriger als beim ersten Wahlgang vor zwei Wochen. Gerade einmal jeder
fünfte Wahlberechtigte gab seine Stimme ab.
Sie haben
der
Presse gegenüber das mangelnde Vertrauen der Ostdeutschen in die Demokratie
beklagt und angesichts der politischen Teilnahmslosigkeit auch von
Faulheit, Desinteresse, Zuschauermentalität und nachwirkender
DDR-Prägung gesprochen. Ich will Ihnen da gar nicht völlig
widersprechen, wittere hinter diesen Symptomen allerdings vor allem eine
gute Portion Realismus als Ursache. Ja, ich denke, darin spiegelt sich
mehr Realitätssinn, als uns allen lieb sein kann. Denn nicht genug
damit, dass angebliche Sachzwänge das Profil der Parteien verwaschen,
und ihre Politik ununterscheidbar gemacht haben. Auch die Anbindung der
Parteiinteressen an den Volkswillen scheint verloren gegangen zu sein.
Wie lässt sich sonst erklären, dass dem US-Militär für den Irakkrieg
eine deutsche Überflug-Genehmigung vorliegt und auch sonst alle
erdenkliche Unterstützung zuteil wird? Wie ist es sonst möglich, dass
auf mehr und mehr deutschen Feldern genmanipulierte Pflänzlein sprießen?
Wie kann es sonst sein, dass wir weitaus intensiver überwacht werden,
als uns lieb ist? Oder was ist sonst der Grund dafür, dass der Bundestag
erst kürzlich 6 (bzw. 10) Tornado-Flugzeuge plus Personal nach
Afghanistan entsandt hat - natürlich auch ungeachtet der damit
einhergehenden höheren Terrorgefahr? Zu all diesen Punkten hat es doch
Umfragen in der Bevölkerung gegeben. Sie alle haben einen mehrheitlich
gegensätzlichen Willen der Deutschen zu Tage gefördert.
Im Kleinen ist das nicht anders. Auch und gerade in der Kommunalpolitik
wird gern über die Köpfe der Betroffenen hinweg entschieden. Und die
Entscheidungsträger halten es offenbar keineswegs für nötig, die Wähler
wenigstens zuvor für ihre Pläne und Ziele zu gewinnen. Noch nicht einmal
die Parteibasis sieht sich imstande, die Handlungsweisen der
Parteiführer zu beeinflussen. Stattdessen nehmen sich die Fraktionschefs
das Recht heraus, abweichende Meinungen zu unterbinden und abweichendes
Abstimmungsverhalten der eigenen Fraktionsmitglieder abzustrafen.
Personalentscheidungen werden augeklüngelt und ausgekungelt.
Das alles klingt für die meisten Wähler dieses Landes nicht gerade so,
als könnten sie mit ihrer Wählerstimme ernsthaft irgend etwas
beeinflussen. Genau genommen klingt das auch gar nicht nach Demokratie.
Es kommt nicht von ungefähr, wenn das Wort 'Staat' immer häufiger
gleichbedeutend mit 'Regierung' benutzt wird, obwohl damit einst doch
auch die Bürger gemeint waren. Viele unserer Repräsentanten teilen ihr
Staatsverständnis wohl eher mit Ludwig XIV. als mit den Verfassern
unseres Grundgesetzes. Bevor man also mit Brecht'schem Sarkasmus das
Volk für seine Politikverdrossenheit schilt, sollte man sich als
Politiker doch erst einmal Gedanken über die möglichen Ursachen der
Entzweiung von Politik und Volk machen.
... Update 2009 ...
Ich habe Herrn Thierse diesen offenen Brief natürlich auch persönlich
zukommen lassen. Eine Antwort oder Stellungnahme erhielt ich allerdings nie.
Veröffentlicht: 06.05.2007, 23:46 Uhr
Die Zeit schrieb in ihrer letzten Ausgabe über
"Das
Bauchgrimmen des Erdballs". Der Artikel berichtet von einem etwas
irrationalen, ja krankhaften Antiamerikanismus auf der Welt. Und damit
mag der Autor durchaus Recht haben. Vielleicht würde unsere Welt von Europa
aus betrachtet um einiges schlimmer aussehen, wenn Russland, China,
Indien oder Pakistan die derzeit amerikanische Position innehätten und
die Weltpolitik dominierten (Stichwort: Religionsfreiheit).
© Wikipedia.org :: Flaggenverbrennung
Das hält mich allerdings keineswegs davon ab, die Korruption, die
Gewalttätigkeit, die Kurzsichtigkeit und die Verlogenheit unserer
Schutzmacht jenseits des großen Teiches anzuprangern. Muss man denn beim
kleineren Übel diskret darüber hinwegsehen, dass es sich dennoch um ein
Übel handelt? Die USA rücken sich beständig selbst ins Rampenlicht als
christliche Demokratie und als freiheitlichen Rechtsstaat. In dem Maß,
in dem sie dieser Selbstpräsentation nicht gerecht werden, gefährden sie
nicht nur die eigene Nation. Sie werden auch zu einer massiven Gefahr
für Christentum, Demokratie, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit insgesamt.
Ihre Selbstdarstellung verpflichtet die US-Amerikaner also zu einer
vorbildlichen Innen- und Außenpolitik. Deshalb sind strenge moralische
Maßstäbe bei der Beurteilung dieses Landes und seiner Regierung absolut
angemessen.
Links zum Thema:
Veröffentlicht: 03.05.2007, 12:19 Uhr
15% ihres Ölbedarfs decken die USA mit Lieferungen aus Venezuela. Damit
ist dieses Land der drittgrößte Öl-Lieferant der Vereinigten Staaten.
Bisher war das venezolanische Öl unter der Kontrolle internationaler
Konzerne. Doch gestern hat der in den USA vielfach als linksradikaler
Diktator dargestellte Staatspräsident Venezuelas,
Hugo
Chávez, ganz gemein die Ölfelder im Orinoko-Becken seines
Landes verstaatlicht. Damit dürfte Venezuela wohl bald zur
Achse
des Bösen gehören. Schon 2005 forderte der US-amerikanische
Fernsehprediger
Pat
Robertson die Ermordung des venezolanischen Staatsoberhauptes. Der
amerikanische Kriegsminister Donald Rumsfeld kommentierte diese Forderung
allerdings mit dem Hinweis, "seine Abteilung tue so etwas nicht".
Und damit hat er recht. Für solche Aktionen ist nämlich die CIA
zuständig.
Nach den zahlreichen medialen Hetzkampagnen der letzten Jahre mochte ich
allerdings kaum glauben, was ich heute in den
Nachrichten
las: Chávez enteignete die Ölmultis nicht etwa, sondern kaufte
60% der Anteile. Nun will er in einem Jointventure mit Total, Chevron
Texaco, British Petroleum, Veba Oel und Co. von deren Know-how im
Ölgeschäft mitprofitieren und die Staatseinnahmen aus der
venezolanischen Ölförderung erhöhen. Unerhört!
Hier spaßeshalber mal zwölf Dinge, die Hugo Chávez von George W. Bush
unterscheiden:
-
Sohn eines Dorfschullehrers
-
drückte sich nicht vor der Armee
-
konnte sich seinen Studienabschluss nicht kaufen
-
verfügt über gute Kenntnisse der Weltgeographie
-
wurde demokratisch gewählt
-
hat Ideale
-
engagiert sich für die armen Bevölkerungsgruppen
-
unterstützt
basisdemokratische
Initiativen
-
verlangt wahrheitsgemäße Berichterstattung der Medien
-
handelt weitsichtig
-
unterstützt keine antidemokratischen Putschversuche
-
zettelte bisher keine Kriege an
Wer sich weiter für dieses Thema interessiert, dem empfehle ich übrigens
den Dokumentarfilm
"Chávez
- ein Staatstreich von innen". Dort geriet ein irisches Fernsehteam
2002 versehentlich mitten in den von Spanien und den USA unterstützten
Putschversuch der Chávez-Gegner. Ebenfalls sehr aufschlussreich ist der
aus dem Französischen übersetzte
Zeitungsartikel
über Hugo Chávez der es leider nicht in die deutsche
Ausgabe der Monatszeitung Le Monde diplomatique geschafft hat.
Veröffentlicht: 02.05.2007, 14:07 Uhr