Mittwoch, 30. Mai 2007

Deutsche DÄMONstrationsfreiheit

Demonstrationen sind eine tolle Sache! Damit zeigen Menschen, dass sie politisch interessiert sind. Deshalb freut sich z.B. auch unser Bundes­innenminister Schäuble nach eigenen Aussagen über die angekündigten Demonstrationen zum G8-Gipfel Anfang Juni in Heiligendamm. Allerdings dürfen die Demonstranten natürlich nicht den geplanten Ablauf des politischen Alltags stören. Dafür müssen Innensenatoren, Verwaltungs­gerichte und Polizei schon sorgen. Schön und gut, wenn Teile der Bevölkerung politische Entwicklungen und konkrete Entscheidungen öffentlich kritisieren möchten. Es sei Ihnen gewährt! Wozu haben wir schließlich in Deutschland Versammlungs­freiheit? Aber doch bitte nicht in Innenstädten oder Touristen­zentren. Und schon gar nicht in der Nähe von Regierungs­sitzen und Tagungsorten! Das ginge deutlich zu weit! Demonstra­tions­züge und Kundgebungen gehören auf vorübergehend gesperrte Orts­umgehungs­straßen und abgelegene Plätze! Das jedenfalls wird immer mehr die gängige Praxis unserer Regierungen. So geschehen auch am vergangenen Wochenende in Hamburg. Meinungsäußerung ja, aber doch bitte keine Aufdringlich­keiten seitens der Bevöl­kerung! Wo kämen wir denn hin, wenn die Politiker den Protest­marsch auch noch ansehen oder anhören müssten?! Am Ende würden sie sich noch vom Volk unter Druck gesetzt fühlen!!

Deshalb mein Vorschlag für die Zukunft: Schallisolierte, stachel­draht­bewehrte Demonstrations­areale mit vorinstallierten, hoch­auflö­senden Kameras und Wasserwerfern für alle Fälle. Eintrittskarten für die genehmigungs­pflichtigen und zeitlich begrenzten Demonstra­tionen gibt dann die Bundespolizei in Zusammenarbeit mit der Bundeswehr aus - gegen Vorlage des Personal­ausweises und nach Abgabe einer Geruchsprobe. Man kann ja nie wissen. Nicht bewilligte und/oder andernorts inszenierte Proteste sollten selbst­verständlich unter das Anti­terrorgesetz fallen. Das kann man übrigens alles unter dem Motto "Innerstädtische Demonstrations­freiheit" einführen. Denn dann werden die Stadtzentren endlich demonstrationsfrei bleiben.

Autor: Root   
Thema:  Politik
Veröffentlicht: 30.05.2007, 18:28 Uhr

Donnerstag, 10. Mai 2007

Kriegsenthusiasmus in der Bundesrepublik

Die Wirtschaft brummt, der Aufschwung boomt. Vielleicht herrscht ja deshalb seit einigen Monaten unter unseren Politikern so eine Bombenstimmung. Die Bundeswehr wollte gern die amerikanischen Friedenstruppen beim Bomben in Süd-Afghanistan unterstützen und deshalb ein paar Tornados zum Ausspähen der geeignetsten Ziele hinschicken. Und so um die 500 Mann. Endlich nicht mehr nur dieses Pille-palle im eher ruhigen Norden Afghanistans. Schließlich hatten wir doch schon seit 1999 keinen wirklichen Einsatz mehr mit richtigen Toten unter den Zivilisten und so. Das Kabinett war spontan dafür. Dem Volk wurde das als gewaltlose Friedensmission verkauft. Allerdings hörte sich schon der Name der Flugzeuge nicht so recht humanitär an. Jedenfalls waren die Deutschen je nach Umfrage zu 69 oder gar 77 Prozent dagegen. Aber die Bundestags­abgeordneten mochten sich die bombige Atmosphäre nicht von den Bürgern vermiesen lassen. Also bliesen sie den Skeptikern den Marsch und stimmten zu. Auch die Verfassungsrichter hatten keine akuten Bedenken. Warum auch?! Wo war denn der Unterschied zu dem völkerrechtswidrigen Einsatz der Bundeswehr im Kosovo 1999? Und so hält die mordsmäßige Laune weiter an und übersteht auch ohne weiteres erhöhte Kosten. Mindestens 50 Millionen statt der geplanten 35 soll die Mission kosten. Peanuts. So ein Krieg ist eben teuer. Aber was muss, das muss. Bei sowas kann man nicht erst jeden Cent umdrehen. Außerdem: Wozu sparen wir denn sonst bei den Sozialausgaben?

Autor: Root   
Thema:  Krieg, Politik
Veröffentlicht: 10.05.2007, 16:37 Uhr

Sonntag, 6. Mai 2007

Offener Brief an Wolfgang Thierse

Sehr geehrter Herr Thierse,

nun ist also die Kommunalwahl in Sachsen-Anhalt vorüber. Die Wahlbeteiligung war bei der heutigen Stichwahl in 5 Landkreisen noch niedriger als beim ersten Wahlgang vor zwei Wochen. Gerade einmal jeder fünfte Wahlberechtigte gab seine Stimme ab.

Sie haben der Presse gegenüber das mangelnde Vertrauen der Ostdeutschen in die Demokratie beklagt und angesichts der politischen Teilnahmslosigkeit auch von Faulheit, Desinteresse, Zuschauermentalität und nachwirkender DDR-Prägung gesprochen. Ich will Ihnen da gar nicht völlig widersprechen, wittere hinter diesen Symptomen allerdings vor allem eine gute Portion Realismus als Ursache. Ja, ich denke, darin spiegelt sich mehr Realitätssinn, als uns allen lieb sein kann. Denn nicht genug damit, dass angebliche Sachzwänge das Profil der Parteien verwaschen, und ihre Politik ununterscheidbar gemacht haben. Auch die Anbindung der Parteiinteressen an den Volkswillen scheint verloren gegangen zu sein. Wie lässt sich sonst erklären, dass dem US-Militär für den Irakkrieg eine deutsche Überflug-Genehmigung vorliegt und auch sonst alle erdenkliche Unterstützung zuteil wird? Wie ist es sonst möglich, dass auf mehr und mehr deutschen Feldern genmanipulierte Pflänzlein sprießen? Wie kann es sonst sein, dass wir weitaus intensiver überwacht werden, als uns lieb ist? Oder was ist sonst der Grund dafür, dass der Bundestag erst kürzlich 6 (bzw. 10) Tornado-Flugzeuge plus Personal nach Afghanistan entsandt hat - natürlich auch ungeachtet der damit einhergehenden höheren Terrorgefahr? Zu all diesen Punkten hat es doch Umfragen in der Bevölkerung gegeben. Sie alle haben einen mehrheitlich gegensätzlichen Willen der Deutschen zu Tage gefördert.

Im Kleinen ist das nicht anders. Auch und gerade in der Kommunalpolitik wird gern über die Köpfe der Betroffenen hinweg entschieden. Und die Entscheidungsträger halten es offenbar keineswegs für nötig, die Wähler wenigstens zuvor für ihre Pläne und Ziele zu gewinnen. Noch nicht einmal die Parteibasis sieht sich imstande, die Handlungsweisen der Parteiführer zu beeinflussen. Stattdessen nehmen sich die Fraktionschefs das Recht heraus, abweichende Meinungen zu unterbinden und abweichendes Abstimmungsverhalten der eigenen Fraktionsmitglieder abzustrafen. Personalentscheidungen werden augeklüngelt und ausgekungelt.

Das alles klingt für die meisten Wähler dieses Landes nicht gerade so, als könnten sie mit ihrer Wählerstimme ernsthaft irgend etwas beeinflussen. Genau genommen klingt das auch gar nicht nach Demokratie. Es kommt nicht von ungefähr, wenn das Wort 'Staat' immer häufiger gleichbedeutend mit 'Regierung' benutzt wird, obwohl damit einst doch auch die Bürger gemeint waren. Viele unserer Repräsentanten teilen ihr Staatsverständnis wohl eher mit Ludwig XIV. als mit den Verfassern unseres Grundgesetzes. Bevor man also mit Brecht'schem Sarkasmus das Volk für seine Politikverdrossenheit schilt, sollte man sich als Politiker doch erst einmal Gedanken über die möglichen Ursachen der Entzweiung von Politik und Volk machen.

... Update 2009 ...
Ich habe Herrn Thierse diesen offenen Brief natürlich auch persönlich zukommen lassen. Eine Antwort oder Stellungnahme erhielt ich allerdings nie.

Autor: Root   
Thema:  Persönlich, Politik
Veröffentlicht: 06.05.2007, 23:46 Uhr

Donnerstag, 3. Mai 2007

USA: Das kleinere Übel

Die Zeit schrieb in ihrer letzten Ausgabe über "Das Bauchgrimmen des Erdballs". Der Artikel berichtet von einem etwas irrationalen, ja krankhaften Antiamerikanismus auf der Welt. Und damit mag der Autor durchaus Recht haben. Vielleicht würde unsere Welt von Europa aus betrachtet um einiges schlimmer aussehen, wenn Russland, China, Indien oder Pakistan die derzeit amerikanische Position innehätten und die Weltpolitik dominierten (Stichwort: Religions­freiheit).


© Wikipedia.org :: Flaggenverbrennung

Das hält mich allerdings keineswegs davon ab, die Korruption, die Gewalttätigkeit, die Kurzsichtigkeit und die Verlogenheit unserer Schutzmacht jenseits des großen Teiches anzuprangern. Muss man denn beim kleineren Übel diskret darüber hinwegsehen, dass es sich dennoch um ein Übel handelt? Die USA rücken sich beständig selbst ins Rampenlicht als christliche Demokratie und als freiheitlichen Rechtsstaat. In dem Maß, in dem sie dieser Selbstpräsentation nicht gerecht werden, gefährden sie nicht nur die eigene Nation. Sie werden auch zu einer massiven Gefahr für Christentum, Demo­kratie, Freiheit und Rechts­staatlichkeit insgesamt. Ihre Selbstdar­stellung verpflichtet die US-Amerikaner also zu einer vorbildlichen Innen- und Außenpolitik. Deshalb sind strenge moralische Maßstäbe bei der Beurteilung dieses Landes und seiner Regierung absolut angemessen.

Links zum Thema:

Autor: Root   
Thema:  Politik
Veröffentlicht: 03.05.2007, 12:19 Uhr

15% ihres Ölbedarfs decken die USA mit Lieferungen aus Venezuela. Damit ist dieses Land der drittgrößte Öl-Lieferant der Vereinigten Staaten. Bisher war das venezolanische Öl unter der Kontrolle internationaler Konzerne. Doch gestern hat der in den USA vielfach als linksradikaler Diktator dargestellte Staatspräsident Venezuelas, Hugo Chávez, ganz gemein die Ölfelder im Orinoko-Becken seines Landes verstaatlicht. Damit dürfte Venezuela wohl bald zur Achse des Bösen gehören. Schon 2005 forderte der US-amerikanische Fernsehprediger Pat Robertson die Ermordung des venezolanischen Staatsoberhauptes. Der amerikanische Kriegs­minister Donald Rumsfeld kommentierte diese Forderung allerdings mit dem Hinweis, "seine Abteilung tue so etwas nicht". Und damit hat er recht. Für solche Aktionen ist nämlich die CIA zuständig.

Nach den zahlreichen medialen Hetzkampagnen der letzten Jahre mochte ich allerdings kaum glauben, was ich heute in den Nachrichten las: Chávez enteignete die Ölmultis nicht etwa, sondern kaufte 60% der Anteile. Nun will er in einem Jointventure mit Total, Chevron Texaco, British Petroleum, Veba Oel und Co. von deren Know-how im Ölgeschäft mitprofitieren und die Staatseinnahmen aus der venezolanischen Ölförderung erhöhen. Unerhört!

Hier spaßeshalber mal zwölf Dinge, die Hugo Chávez von George W. Bush unterscheiden:

  1. Sohn eines Dorfschullehrers
  2. drückte sich nicht vor der Armee
  3. konnte sich seinen Studienabschluss nicht kaufen
  4. verfügt über gute Kenntnisse der Weltgeographie
  5. wurde demokratisch gewählt
  6. hat Ideale
  7. engagiert sich für die armen Bevölkerungsgruppen
  8. unterstützt basisdemokratische Initiativen
  9. verlangt wahrheitsgemäße Berichterstattung der Medien
  10. handelt weitsichtig
  11. unterstützt keine antidemokratischen Putschversuche
  12. zettelte bisher keine Kriege an

Wer sich weiter für dieses Thema interessiert, dem empfehle ich übrigens den Dokumentarfilm "Chávez - ein Staatstreich von innen". Dort geriet ein irisches Fernsehteam 2002 versehentlich mitten in den von Spanien und den USA unterstützten Putschversuch der Chávez-Gegner. Ebenfalls sehr aufschlussreich ist der aus dem Französischen übersetzte Zeitungsartikel über Hugo Chávez der es leider nicht in die deutsche Ausgabe der Monatszeitung Le Monde diplomatique geschafft hat.

Autor: Root   
Thema:  Politik
Veröffentlicht: 02.05.2007, 14:07 Uhr

April | Mai 2007 | Juni