Donnerstag, 8. Februar 2007
Privatisierung: Alles muss raus (Teil 1)
Durch Privatisierung wird alles besser und vor allem billiger! Dafür sorgt der marktwirtschaftliche Wettbewerb. Nehmen wir zum Beispiel das Telefon. Hätten Sie sich 1995 vorstellen können, vor 18 Uhr ein Auslandsgespräch in die USA für 1,5 Cent pro Minute zu führen - also für rund 3 Pfennige? Wie, die Post? Ach so, Sie meinen, Briefe und Pakete seien nach der Privatisierung der Post teurer geworden? Na gut, Ausnahmen gibt es immer. Aber fällt Ihnen außer der Post irgend etwas ein, das nach einer Privatisierung teurer geworden ist? OK, der Strom. Aber fällt Ihnen außer Post und Energieversorgung irgend etwas ein? Also gut, die Bahn. Aber kennen Sie außer Post, Energieversorgung und Bahn noch irgend ein negatives Beispiel? Der was? Na schön, fällt Ihnen außer Post, Energieversorgung, Bahn und öffentlichem Nahverkehr irgend etwas ein, das jetzt teurer ist als zuvor? Die Müllabfuhr? Meinetwegen, also fällt Ihnen außer Post, Energieversorgung, Bahn, öffentlichem Nahverkehr und Müllabfuhr irgend etwas ein, das seit der Privatisierung teurer geworden ist? Sehen Sie! Und bei der Müllabfuhr sehen die Tonnen jetzt wenigstens schöner aus als früher. Wie? Ihnen haben die alten Tonnen besser gefallen? Außerdem konnte man damals noch problemlos heiße Asche einfüllen? Ihnen kann man wohl gar nichts recht machen?! Aber zurück zum Telefon. Zugegeben, die Grundgebühr ist nicht gerade gesunken. Und die Gebühren an den öffentlichen Telefonzellen vielleicht auch nicht so sehr. Aber denken Sie an die Gesprächsgebühren zu Hause! Daran kann man sehen, welche enormen Vorteile freier Wettbewerb mit sich bringt! Das liegt natürlich nicht zuletzt an der vorbildlichen Senkung der Arbeitskosten in den zuvor staatlichen Unternehmen. Dank effektiv deutlich niedriger Löhne können diese Unternehmen jetzt viel wirtschaftlicher arbeiten. Und das liegt doch auch in Ihrem Interesse!
Aber im Ernst: Wie lange dauert es im Normalfall, bis die vorerst gesparten öffentlichen Gelder plus die Privatisierungserlöse überholt werden von neu entstehenden Ausgaben? Hat schon mal jemand nachgerechnet, nach wieviel Jahren es für den Steuerzahler spätestens teurer wird, wenn der gesamte Staatsapparat inklusive aller Ämter und öffentlichen Einrichtungen auf einmal Telefongebühren, Druckkosten und (steigende) Portokosten an private Unternehmen zahlen und überdies die Unterhaltkosten für die wegrationalisierten Mitarbeiter tragen muss? Hat schon mal jemand statistisch ermittelt, nach welcher Zeit der neue Besitzer aufgrund seiner Gewinnvorstellungen die Preise im Durchschnitt über das Ausgangsniveau hinaus erhöht? Und was ist mit dem Gerechtigkeitsaspekt? Ist es dem Volk gegenüber fair, wenn die gewählte Obrigkeit öffentliche Infrastrukturen vergleichsweise spottbillig veräußert, die einst mit der Arbeitsleistung seiner Bürger und Steuermitteln in Milliardenhöhe erwirtschaftet wurden?
Schön wäre es, wenn dies schon alle Probleme wären, die eine Privatisierung von Staatsunternehmen aufwirft. Aber das ist nur die Spitze des Eisbergs. Der weitaus größere Teil treibt wie immer unsichtbar unter der Oberfläche.
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