Dienstag, 6. Februar 2007

Vorsicht Innenminister!

Innenminister sind eine seltsame Spezies. Sie versuchen unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung zu schützen, indem sie unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung demontieren. Das klingt zunächst lustig schildbürgerlich. Und wahrscheinlich schwelgen die Minister des Inneren schon immer nachtnächtlich in süßen Träumen von der Total­überwachung. Aber seit dem 11. September 2001 hat sich etwas Wesentliches verändert: Nach Jahrzehnten weitgehend geheim gehaltener amerikanischer Interventionspolitik haben die Terror­anschläge den USA einen brillanten Vorwand geliefert, ihre stets katastrophal missratene Außenpolitik nun öffentlich fortzusetzen, ja drastisch zu verschlimmern. Mit der verlogenen Phrase vom "Kampf gegen den Terror" rechtfertigt die Regierung Bush/Cheney nun jeden der perfiden Schachzüge auf dem internationalen Spielbrett. Unsere europäischen Regierungen - allen voran die arroganten Briten - plappern das hohle Geschwätz natürlich einfach nach - in der Hoffnung, ein Stück vom großen Ölkuchen abzubekommen. Als wäre dies alles nicht schon schlimm genug, kommen nun die hysterischen Innenminister im Kielwasser der Demagogen und Militaristen daher gefahren und überzeugen uns, dass die folgenschweren Einschnitte in unsere Persön­lichkeits­rechte nur unserer eigenen Sicherheit dienten.


© unbekannt :: New York, 11.09.2001

Und was tun wir? Wir nehmen unsere Innenminister ernst. Und wie immer, wenn man Schildbürger ernst nimmt, wird auch ihre Lachnummer zum bitteren Ernst. Ja, wir glauben unseren Schilys, Becksteins und Schäubles - aus einer tiefsitzenden Angst heraus, die die sensations­heischenden Medienkonzerne in uns geschürt haben - mit ihrem gebetsmühlenartig wiederholten Geplapper von den ungeahnten Gefahren des islamistischen Terrors. Und wer noch immer ungläubig ist, der fühlt sich trotz aller Vorstöße in Richtung Überwachungsstaat à la "1984" ebenso sicher, wie Herr al-Masri vor seiner irrtümlichen Entführung und Folterung. Oder wie der Brasilianer Jean Charles de Menezes, der in Großbritannien von Polizisten im Anti-Terror-Fieber fälschlicher Weise erschossen wurde. Solche kleinen Verwechslungen gab es übrigens in England auch schon früher. Es sei nur an die "Guildford Four" erinnert.

Kann schon mal passieren. Aber mir doch nicht. Biometrische Daten im Ausweis? Keine Gefahr. Von weitem auslesbare Pässe? Diese Technik wird bestimmt niemand knacken. Großräumige Video­überwachung in den Innenstädten? Ich habe nichts zu verbergen. Automatische Nummernschildscans? Die werden schon richtig funktionieren und nicht versehentlich mich aus dem Verkehr ziehen. Speicherung von Telefon­verbindungen, Internet-IPs und E-Mails? Ich mache doch nichts Verbotenes. Handyortung nach Belieben? Worin besteht das Risiko? Wanzen in der Wohnung und abgehörte Telefonate? Das sind wir doch schon aus DDR-Zeiten gewohnt. Überprüfung meiner Konten? Was soll's. Polizeiliche Trojaner, die die Festplatte ausspionieren und heimlich die Webcam aktivieren? Isch 'abe gar keine Webcam. Große vernetzte Datenbanken über die Bevölkerung? Die werden schon nicht von den falschen Leuten gehackt.

Der Meister des politischen Kabaretts, Volker Pispers, kommentierte 2004 die Kampagne für biometrische Daten im Personal­ausweis folgendermaßen:

"Der Otto Schily hat gesagt: Der Beckstein hat Recht. Und wir sollen uns nicht anstellen mit dem Daten­schutz. Die Spanier hätten den Finger­abdruck seit über 30 Jahren im Personal­ausweis - und das stimmt, das hat der General Franco noch eingeführt. Schilys großes Vorbild. Ist in Spanien blöd gelaufen. Hat ein Diktator eingeführt, ist der Demokratie in die Hände gefallen. Schily macht das lieber umgekehrt. Und sobald wir den Finger­abdruck im Personal­ausweis haben, dann sind wir sicher, nicht? Ich wette mit Ihnen, dann haben wir genau so wenig Terror­anschläge wie die armen Spanier."

Der Dresdner Informatik­professor Andreas Pfitzmann brachte es auf den Punkt: "Die Terroristen haben versucht, unsere Gesellschaft zu erschüttern. Die Innenminister haben es geschafft." Unterdessen sitzen die Terroristen vor dem Fernseher und lachen sich ins Fäustchen. Beweist ihnen doch jede Initiative unserer wild­gewordenen Innenminister, wie leicht die westliche Welt aus den Angeln zu heben ist. Mit jedem Anschlag steigt ihre Gewissheit über die großartigen Erfolgs­aussichten des Terrors. Und zur Vorbeugung vor weiteren Terrorakten muss wiederum jeder Deutsche zunächst wie ein Verdächtiger behandelt werden. Oder können Sie sich etwa sicher sein, dass in Ihnen nicht auch irgendwo ein kleiner Terrorist schlummert? Mit den Anschlägen vom 11. September hat sich das deutsche Volk eben leider das Vertrauen der Regierung verscherzt. Bertolt Brecht dreht sich derweil im Grab um und raunt noch einmal: "Wäre es da nicht doch einfacher, die Regierung löste das Volk auf und wählte ein anderes?"

Benjamin Franklin, einer der Gründungs­väter der USA, hat seinerzeit behauptet: "Wer die Freiheit aufgibt, um Sicherheit zu gewinnen, wird beides verlieren." In diesem Sinne gute Nacht!

Autor: Root   
Thema:  Politik, Recht
Veröffentlicht: 06.02.2007, 01:09 Uhr

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