Sonntag, 4. Februar 2007

Lobbyismus in Brüssel

Das Europäische Parlament mit derzeit 785 demokratisch gewählten Abgeordneten hat in der EU an den entscheidenden Stellen kaum etwas zu melden. Man sagt, es gäbe gerade deshalb so viele unwichtige bis völlig sinnfreie EU-Gesetze, weil die Parlamentarier nichts Wichtiges zu tun hätten. Denn die wichtigen Entscheidungen trifft normalerweise der Rat der Europäischen Union, oft einfach "Ministerrat" genannt, weil er sich aus Ministern der einzelnen EU-Mitgliedsstaaten zusammen setzt. Sie beraten gewöhnlich unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Und die Sitzungsprotokolle bleiben geheim. Für die Umsetzung der getroffenen Beschlüsse ist dann übrigens die EU-Kommission zuständig.


© Ben2 :: Sitz des Ministerrats

Diese Minister sind also gleichzeitig Regierungsmitglieder der einzelnen Länder und Mitglieder des Rats der Europäischen Union. Sie werden dementsprechend nicht demokratisch gewählt (ebensowenig wie die EU-Kommissare), sondern von den jeweiligen Regierungschefs bestimmt. Schlimmer ist allerdings noch, dass sie aufgrund ihres Doppelamtes nicht besonders viel Zeit haben, sich über die anstehenden Entscheidungen gründlich zu informieren. Zudem werden je nach Thema unterschiedliche Fachminister zu den Sitzungen entsandt. Deshalb nehmen die Europaminister gern Beratung in Anspruch und sind entsprechend in ihrer Meinung relativ leicht zu beeinflussen. Wahrscheinlich noch leichter als die EU-Parlamentarier.

Die wichtige Frage lautet: Wer sind die Berater? Für gewöhnlich die geschätzten 15.000 Lobbyisten und 2600 Interessenverbände, die sich in Brüssel aufhalten. Also Interessenvertreter der Wirtschaft. Auf jeden einzelnen der derzeit 335 Stimmberechtigten im Ministerrat kommen demnach reichlich 44 Berater der Industrie und der Banken. Beruhigend, dass die EU-Machthaber so gut beraten werden! Zu dumm nur, dass sich die Minister in den meisten Fällen nicht einmal im Klaren darüber sind, wessen Interessen die uneigennützigen Helfer überhaupt vertreten. Deshalb soll jetzt eine Datenbank her, in der dann steht, von wem die selbsternannten Berater denn jeweils bezahlt werden. Und die sind bestimmt alle ganz ehrlich. Drum wird demnächst dann auch ein sprunghafter Anstieg an streng anonymen Spendengeldern, ehrenamtlichen Mercedesfahrern und gemeinnützigen Briefkastenorganisationen in der EU zu verzeichnen sein.

Autor: Root   
Thema:  Politik
Veröffentlicht: 04.02.2007, 12:02 Uhr

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