Morgen findet also wieder das Highlight unseres bundesweiten
Demokratie-Theaters statt. Wir dürfen wählen, wer in unserem Land weiter
macht wie bisher. Mit dem Marketing-Spektakel der letzten Wochen haben
die vier großen Parteien (alphabetisch: CDU, Grüne, FDP, SPD) darüber
hinweg zu täuschen versucht, dass sie unter den Gesichtspunkten von
Moral, Kompetenz und Vertrauenswürdigkeit längst nicht mehr wählbar
sind. Bedauerlicher Weise zieht diese Masche bei vielen Mitbürgern noch
immer. Die bisherigen Regierungsparteien tun einfach so, als stünden sie
für etwas ganz Neues und lassen den Kunden - Entschuldigung - Wähler
vergessen, dass sie in der Vergangenheit die meisten wichtigen Versprechen gebrochen,
eine katastrophale Politik geführt und das Volk verkauft haben. Alle vier Jahre
bemühen sie sich um eine kollektive Polit-Amnesie der Wähler - und haben Erfolg.
Gedächtnisstütze
Hier einige kleine Anhaltspunkte, um dem Gedächtnis wieder auf die
Sprünge zu helfen: Eine schwarz-gelbe Regierung brachte unser
florierendes Land mithilfe riesiger Schulden in die Gewalt
der Banken und glänzte mit intensivem Waffenschmuggel in die
Krisengebiete der ganzen Welt. Eine rot-grüne Regierung holte
von
der Industrie bezahlte Leute in die Ministerien und setzte damit neue
Maßstäbe in Sachen Politkorruption. Eine rot-grüne Regierung
erlaubte nachweislich giftige Gentechnik in unserer Nahrung und beteiligte
unser Land an verfassungswidrigen Angriffskriegen im
Kosovo und in Afghanistan. Eine rot-grüne Regierung betrieb mit
Steuer-Umstrukturierungen und Hartz-Gesetzen die systematische
Aufsplittung Deutschlands in Arm und Reich. Eine rot-grüne Regierung
ruinierte mit der Entfesselung von Hedgefonds große Teile unserer
Wirtschaft und ebnete der aktuellen Finanzkrise mit der weiteren
Liberalisierung des Geldmarktes den Weg. Eine schwarz-rote Regierung
initiierte die Schaffung eines Überwachungsstaats, unterschrieb
den Vertrag von Lissabon und setzte damit ohne Volksabstimmung unser
Grundgesetz außer Kraft.
Alternativen
Wer besagte vier Parteien jetzt nicht mehr wählen möchte, aber nach der
Benutzung von "Wahlhelfern" wie
Wahl-O-Mat.de
oder Wen-Waehlen.de
auch nur ratlos aus der Wäsche guckt, der muss sich nun keineswegs ins Bockshorn jagen lassen und dem militanten Flügel des
Verfassungsschutzes
(NPD) zur Macht verhelfen. In dieser zermürbenden Lage seien ihm - neben der
Linken
noch zwei junge, frische Parteien mit tragfähigen Konzepten ins
Bewusstsein gerufen:
Die 1982 gegründete Ökologisch-Demokratische Partei präsentiert sich als
glaubwürdige Alternative zu den Grünen. Sie verbindet in ihrem
Parteiprogramm eine fortschrittliche Umweltpolitik mit umfassendem
Verbraucherschutz und einem traditionellen Familienverständnis. Um
politisch unabhängig zu bleiben, nimmt sie als einzige Partei in
Deutschland ausdrücklich keine Firmenspenden an. Aktuell zählt die
ÖDP rund 6500 Mitglieder.
Die noch sehr junge, etwa 9000 Mitglieder starke Piratenpartei hat sich die
Verteidigung der freiheitlichen Bürgerrechte und der modernen
Informationsgesellschaft auf die Fahnen geschrieben. Sie tritt an gegen
Überwachungsstaat, Patentmissbrauch und die
entwicklungsfeindliche Form des Urheberrechts.
Sie engagiert sich für einen rundherum freien Zugang zu Informationen
und Bildung und für einen transparenten Staat. Ihr Name lehnt sich an
die bekannten Kampagnen von Film- und Musikindustrie an, in denen im
Zusammenhang mit dem Copyright-Thema immer wieder von Piraterie die Rede
war. Die schwedische Schwesternpartei gleichen Namens erhielt übrigens
bei der jüngsten Europawahl 7,1% der Stimmen.
Weitere Parteien
Einen guten Überblick über die zur Wahl stehenden Parteien bietet die
Bundeszentrale
für politische Bildung. Die Partei
D-BÜ
(Demokratische Bürgerbewegung) erhielt mit ihrem interessanten
Mitgliedskonzept im Rahmen einer umstrittenen Entscheidung des
Bundeswahlausschusses leider keine Zulassung zur Bundestagswahl 2009.
Ihre Mitglieder fordern in erster Linie mehr Basisdemokratie in
Deutschland, also beispielsweise die
im
Grundgesetz vorgesehene,
langersehnte Einführung von bundesweiten Volksabstimmungen.
Wahlstrategie
Wer aus rein taktischen Erwägungen (Stichworte:
Fünf-Prozent-Hürde,
verschenkte Stimme) keine kleine Partei wählen möchte, der sei darauf
hingewiesen, dass er so allerdings dazu beiträgt, die politische
Bedeutungslosigkeit interessanter, kleiner Parteien zu zementieren.
Wahlbenachrichtigungskarte
Jene Menschen, die seit mehreren Tagen verzweifelt ihren gesamten
Hausrat nach der ver...legten Wahlbenachrichtigung durchpflügen, können
übrigens ganz beruhigt sein. Man darf seine Stimme nämlich
auch
ohne diese Karte im zuständigen Wahllokal abgeben.
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