Der Nationale
Ethikrat, bestehend aus 25 selbsternannten oder mutmaßlichen
Moralexperten, hat sich gestern mehrheitlich für eine
Lockerung
des Stammzellengesetzes ausgesprochen. Grund: Die deutschen
Wissenschaftler machen Druck. Sie schwärmen von den großartigen
Möglichkeiten, die sich ihnen - und unserem Land natürlich - auftäten,
wenn sie nur neue Stammzellen für Grundlagenexperimente und klinische
Forschung gewinnen dürften. Andererseits warnen sie vor einer
wissenschaftlichen Isolation Deutschlands, wenn die bisher nur
halbherzig liberalen Regeln bestehen blieben. Angesichts des möglichen
Ruhmes und Profits kümmert es sie wenig, dass bei ihrer Arbeit
menschliche Embryonen getötet werden. Und selbst die in Wahrheit äußerst
geringen Aussichten auf die versprochenen Erfolge in der Medizin halten
sie nicht davon ab, über die grandiosen Vorzüge ihrer Forschung mit
embryonalen Stammzellen zu schwadronieren. Dass sich für viele Zwecke
ebenso geeignete Stammzellen aus der Nabelschnur, dem peripheren Blut
oder dem Knochenmark entnehmen lassen, bleibt dabei aus strategischen
Gründen unerwähnt.
© Nissim Benvenisty :: Stammzelle
Gleichzeitig steht die
EU-Zulassung
des Anbaus von Kartoffeln unmittelbar bevor, die von BASF zum Zweck
der einträglichen Rohstoffgewinnung genmanipuliert wurden. Die genetisch
veränderte Sorte mit dem blumigen Namen Amflora soll große Mengen
Kartoffelstärke produzieren, die für die Herstellung von Textilien,
Papier, Klebstoff, Waschmittel etc. geeignet ist. Die Folgen einer
Freisetzung im gewohnten Stil birgt zwar u.a. wegen der
Antibiotikaresistenzen der Knollen unabsehbare, und vor allem
unkontrollierbare Risiken mit unumkehrbaren Folgen. So könnte die
Widerstandsfähigkeit gegen Antibiotika über Bodenbakterien in unseren
Organismus gelangen und uns eine hübsche Anzahl tückischer Krankheiten
einbringen. Das Volk ist zudem laut Umfragen gegen derart
selbstmörderische Experimente. Doch beides wird unsere Europakommissare
auf längere Sicht kaum davon abhalten, gemäß der aggressiven
und perfiden BASF-Lobbyarbeit eine Genehmigung zur Freiland-Pflanzung zu erteilen.
Selbstverständlich ist schon lange bekannt, dass einer erheblichen
Anzahl von ehrgeizigen Wissenschaftlern und gierigen Managern nichts
heilig ist. Das zeigt sich bereits an ihrem respektlosen industriellen
Wortschatz, der vor Arroganz nur so trieft. Embryonen werden verbraucht,
Stammzellen gewonnen, als handelte es sich um Energie oder
Eisenerz. Pflanzen, Tiere und Bakterien werden entworfen, entwickelt,
hergestellt, verbessert und patentiert, als ginge
es nicht um Lebewesen, sondern um Staubsauger. Was möglich ist, muss
nach den Gesetzen der Machbarkeit eben auch probiert werden - ob dabei
nun Menschen zu Schaden kommen oder nicht. Umso mehr, wenn man sich
damit eine goldene Nase verdienen kann.
Es wäre allerdings an der Politik, dieser gefährlichen Haltung klare
(gesetzliche) Grenzen zu setzen. Doch leider lassen uns hier die guten
Selbstdarsteller mit den teuren Anzügen erfahrungsgemäß feige im Stich.
Sie gehen bei der Abstimmung schnell hinter Sachzwängen,
Koalitionsvereinbarungen, Fraktionsabsprachen und Expertenmeinungen
in Deckung und winken halb geduckt alles durch, wo ihnen andernfalls
eine leichte Brise entgegen wehen könnte. Eine der brisantesten
politischen Fragen unserer Zeit lautet deshalb: Wieviel
Fatalismus,
Korruption, Feigheit, Einfallslosigkeit und Kurzsicht ist eigentlich
notwendig, um ein Land oder einen Staatenbund zugrunde zu richten? Ich
vermute, es braucht dafür keineswegs so viel, wie sich unsere
Politiker in Deutschland und Europa derzeit leisten.
PS: Mit viel Glück kann man ja vielleicht irgendwann in fernerer Zukunft
mit einer Embryonen tötenden Stammzellen-Therapie tatsächlich eine jener
unheimlichen Krankheiten kurieren, die aufgrund genmanipulierter
Kartoffeln entstanden sind. Darüber hinaus wird das Rentenproblem
kleiner, wenn die durchschnittliche Lebenserwartung endlich wieder sinkt.
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