Das Demokratieverständnis des durchschnittlichen deutschen Politikers
ist erfahrungsgemäß sehr unterentwickelt. Nicht wenige der Abgeordneten
scheinen überhaupt keines zu haben. Dem Namen nach leben wir ja in einer
Repräsentativen Demokratie. Das Wort Demokratie kommt ursprünglich aus
dem Griechischen und bedeutet "Volksherrschaft", oder besser noch
"Volksmacht". Und repräsentativ wird eine Demokratie dadurch, dass sie
von Repräsentanten ausgeübt wird. Repräsentant heißt wiederum so etwas
wie "Vertreter". Nun hat das Wort Vertreter je nach Zusammenhang recht
unterschiedliche praktische Bedeutungen. Es gibt
Versicherungsvertreter. Sie verkaufen Versicherungen. Es gibt
Staubsaugervertreter. Die verkaufen Staubsauger. Und es gibt
Volksvertreter. Vielen Politikern hat man noch nicht verraten, dass die
Aufgaben hier völlig anders liegen.
Heute ist mir noch eine weitere, verheerende Fehldeutung des Wortes
Vertreter begegnet. In den
Nachrichten
las ich, dass sich mehrere SPD-Abgeordnete bei der entscheidenden
Sitzung des Gesundheitsausschusses aus Protest gegen die
Gesundheitsreform vertreten ließen - um den Fraktionsfrieden
nicht zu stören. Natürlich von Abgeordneten, die sich für
die Gesundheitsreform aussprechen. Das werden sie dann wohl am Freitag
bei der Abstimmung im Bundestag wieder so handhaben. Dabei ist mit
"Vertreter" in diesem Zusammenhang doch gar keine Person gemeint, die
sich vertreten lässt und sich selbst derweil die Beine vertritt.
Vielmehr ist der Vertreter eine Person, die selbst jemand Abwesendes
vertritt. Und zwar hier konkret das deutsche Volk, das ja leider aus
Platzgründen und anderen taktischen Erwägungen an den Beratungen und
Abstimmungen nicht teilnehmen darf. Es herrscht also noch großer
Schulungsbedarf.
Deshalb an dieser Stelle auch gleich eine kleine Kurzlektion in
Demokratieverständnis: Das Wort "Vertreter" ist normalerweise
gleichbedeutend mit "Interessenverteter". Ein Volksvertreter soll
entsprechend die Interessen des Volkes vertreten - genauer noch jenes
Teils der Bevölkerung, von dem er gewählt wurde. Wenn man die
Interessen des Volkes nicht kennt, kann man demnach seinem Auftrag als
Volksvertreter gar nicht gerecht werden. In einem solchen (sehr
verbreiteten) Fall muss der betreffende Volksvertreter also zunächst
einmal die Interessen des Volkes bzw. seines Wahlkreises in Erfahrung
bringen. Die Möglichkeit, stattdessen lieber andere, besser bekannte
Interessen zu vertreten (z.B. die der Industrie oder einfach die
eigenen) scheidet trotz großer Beliebtheit völlig aus.
In diesem Sinne gutes Lernen!
Veröffentlicht: 31.01.2007, 17:32 Uhr
Im Land "wo die Kanonen blühen" (Erich Kästner)
ist nach langjähriger Abwesenheit endlich wieder der Militarismus
eingezogen. Zunächst noch diskret und unauffällig - getarnt als
humanitäre Hilfe - aber doch spürbar und nachhaltig, wie man jetzt so
schön sagt. Zumindest dieses Mal kommt er eindeutig nicht aus der
Bevölkerung, sondern aus Regierungskreisen. Hätte der Opportunist
Gerhard Schröder den Pazifismus und Gerechtigkeitssinn der Deutschen
2002 nicht als willkommenes Mittel für seine Wiederwahl entdeckt, wären
sicher auch deutsche Soldaten
(aktiv)
am amerikanischen Kolonisationsfeldzug gegen den Irak beteiligt gewesen.
Dass die Bevölkerung im Gegensatz zum Bundestag nicht so bereitwillig
deutsche Truppen ins Ausland schicken möchte, war in der Vergangenheit
ja kein Hindernis.
Bemerkenswert sind in diesem Zusammenhang die seit Jahren immer
wiederkehrenden Vorstöße der CDU-Spitze: Da es ja passieren könnte, dass
sich selbst der Bundestag mal gegen einen Kampfeinsatz unserer Armee
ausspricht, möchte die Christlich Demokratische Union ihn
vorsichtshalber zukünftig nicht mehr fragen müssen (vgl. Netzeitung).
Die Demokratie ist im Zweifelsfalle einfach eine zu große Gefahr für die
militärischen Pläne unserer Regierung.
© Wikipedia.org :: Aufklärungs-Tornado
Aber was rede ich da?! Natürlich geht es ausschließlich um
friedenssichernde
Maßnahmen im Ausland. Ich weiß. Und die selbstlose deutsche
Regierung beteiligt sich bzw. uns auch nur, weil wir eben (gerne mehr)
Verantwortung in der Welt haben (wollen). Naja, die Christlich Soziale
Union sieht das ein bisschen anders. Die möchte nur noch solchen
Militäreinsätzen zustimmen, bei denen es ums Öl geht
(vgl. Die
Zeit). Derartige Statements sind zwar äußerst dummdreist, aber
wenigstens ehrlich.
Wenn dann - wie in Afghanistan - aus einem vom Bundestag genehmigten
Friedenseinsatz ein handfester Kriegseinsatz wird, dann kann sich
Deutschland doch da nicht plötzlich herauswinden! Außerdem sollen die
Tornado
Jagdbomber im umkämpften Süden Afghanistans (zunächst) lediglich die
Luft- und Bodenaufklärung übernehmen, damit die anderen zielsicherer und
ungestörter
Bomben
abwerfen können. Insofern darf man unserer Regierung eigentlich
wirklich nichts vorwerfen. Zumal wir in den beiden vergangenen
Weltkriegen viel Erfahrung gesammelt haben bei Auslandseinsätzen. Und
die modernen deutschen Waffen konnten dank der cleveren
Alle-Hühneraugen-zu-Exportpolitik auch an jedem wichtigen Krisenherd der
Welt ausgiebig erprobt werden. Es wäre unter diesen günstigen
Voraussetzungen also geradezu sträflich, das Entzünden neuer
Pulverfässer anderen Nationen zu überlassen.
Links zum Thema:
Veröffentlicht: 25.01.2007, 14:57 Uhr