Donnerstag, 21. Juni 2007
Der Staatsfeind Nr. 1
Die Verfassung eines Landes ist dazu gedacht, die Grundrechte, Werte und Funktionsweisen des Staates festzuschreiben und stellt daher u.a. auch die Basis des gesamten Rechtssystems dar. In einem demokratischen Rechtsstaat muss sie vom Volk - oder zumindest seinen gewählten Vertretern - bestätigt werden und gilt bis zum Beschluss einer neuen Verfassung als bindender Gesamtkonsens. Wegen dieser fundamentalen Bedeutung für den Staat bzw. das Volk gilt die Verfassung als besonders schützenswert, ein Verfassungsgegner folgerichtig als Staatsfeind.
Die aktuelle (provisorische) Verfassung der Bundesrepublik Deutschland heißt Grundgesetz, wurde 1949 in Kraft gesetzt und gilt seit dem 3. Oktober 1990 für Gesamtdeutschland. Geschützt wird sie (nach innen) vor allem von zwei eigens zu diesem Zweck eingerichteten Organen: Dem Bundesverfassungsgericht und dem Bundesamt für Verfassungsschutz, kurz BfV. Letzteres soll vor allem auf geheimdienstlichem Weg und mit rechtsstaatlichen Mitteln verhindern, dass Personen oder Personengruppen in Deutschland gegen die Verfassung verstoßen.
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:: Grundgesetz
Was aber, wenn der Verfassungsschutz selbst einem Verfassungsfeind untersteht? Was, wenn der Schirmherr des Verfassungsschutzes Demokratie und Verfassung in ihrer derzeitigen Form missbilligt? In einem Artikel der FAZ mit dem vielsagenden Titel "Weniger Demokratie wagen?" schrieb Wolfgang Schäuble schon 1996 in seiner damaligen Funktion als Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU: "Die Verfassung ist immer weniger das Gehege, in dem sich demokratisch legitimierte Politik frei entfalten kann, sondern immer stärker die Kette, die den Bewegungsspielraum der Politik lahmlegt." (Frankfurter Allgemeine Zeitung, Ausgabe vom 13. September 1996). So ist es nur konsequent, wenn er nun als Bundesinnenminister und Rädelsführer des BfV dem Grundgesetz zuwider mit Trojanern ermitteln lässt, die rechtsstaatliche Unschuldsvermutung in Frage stellt, die Versammlungsfreiheit einschränkt oder die Bundeswehr im Inland einsetzt. Warum sollte man das Recht nicht einfach so lange schleichend beugen und brechen, bis sich alle daran gewöhnt haben? Danach kann man es dann ganz unspektakulär und ohne großen Protest an die übliche Praxis anpassen. Das hat sich noch immer bewährt!
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