Donnerstag, 9. April 2009

Finanzkrise I: Hintergründe

Während die Ermittlungen im Krimi gewöhnlich schon recht bald ans Licht bringen, dass es der Gärtner war, erfährt die breite Öffentlichkeit bei Vorkommnissen in Politik und Wirtschaft selten die Wahrheit. So auch in diesem Fall. Ursache der Krise seien Irrtümer der Ratingagenturen und ein ungünstiges Belohnungs­system, das Bankmanager zu riskanten Investitionen mit hohen Renditen verleitete - eine sogenannte "Moral Hazard". Der Anlass: Eine unglückliche Kettenreaktion. Ein unvorhersehbarer Domino­effekt. Sich gegenseitig behindernde Aufsichtsbehörden. Kollektives Versagen. Man könne hier einfach keine konkreten Schuldigen und keine genauen Ursachen ausmachen. Schuld an der Misere seien alle - und auch wieder niemand. Außerdem sei jede Krise ja auch immer eine Chance. Unglücklicher Weise scheint diese Verschleierungs­taktik tatsächlich aufzugehen. Ja, jede Krise ist auch eine Chance. Fragt sich nur für wen.

Allgemein

Geld ist ein Gegenwert für Arbeit und als solcher ein legalisiertes Tauschmittel, das auch zur Wertaufbewahrung dienen soll. (vgl. Wikipedia) Jeglicher Umgang mit Geld, der nicht den eigentlichen Verwendungszwecken (Tauschen, Taxieren und Aufbewahren) dient, wird einem Finanzsystem - und damit auch einer Volkswirtschaft - auf lange Sicht zwangsläufig schaden. Insbesondere die Vermehrung von Geld ohne wertschöpfende Arbeit stellt langfristig eine ernste Gefahr für die Funktionsfähigkeit eines Geldsystems dar.

Was ist passiert?

Kurz zusammengefasst und stark vereinfacht: Die Bankguthaben der Großanleger wuchsen aufgrund des übermächtigen Zinseszins-Effektes und steigender Konzernprofite sprunghaft an. Das liegt unter anderem daran, dass die Gewinne der Großunternehmen gehortet wurden, statt sie z.B. in die Löhne der Mitarbeiter zu investieren. Um die zugesicherten Zinsen auf die riesigen Bankguthaben (Passiva) zahlen zu können und gleichzeitig profitabler zu werden, begannen die Banken kurzerhand, mehr und mehr Kredite zu vergeben (Aktiva). Dabei wurden sie immer waghalsiger und verliehen Geld schließlich einerseits im großen Stil untereinander, andererseits an Institutionen und Privatpersonen, die ihre Schulden mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht zurück zahlen konnten, nicht zuletzt in Form von zweitklassigen Immobilien­krediten (Subprime-Kredite). Die Schuld­verschrei­bungen (verbriefte Wertpapiere) dieser unsi­cheren Kreditnehmer wurden auf verschlungenen Wegen (CDOs) an andere Banken und private Anleger überteuert weiterverkauft. Dabei half die systematische Überschätzung der Rückzahlungs­wahr­scheinlichkeit dieser gefährdeten Kredite mithilfe von eigennützigen Ratingagenturen. Überdies gingen die Banken eine Art Wettverträge ein, bei denen sie im Falle der Zahlungsunfähigkeit von Kreditnehmern hohe Summen verloren (CDS).

Dies alles wurde durch zunehmend freizügigere Gesetze und Regelungen stark vereinfacht. Zusätzlich manipulierten und fälschten zahlreiche Banken auch noch ihre Bilanzen. Die korrupten Aufsichtsbehörden drückten beide Augen zu. Als schließlich doch auffiel, welche enormen Risiken mit den Schuldverschreibungen verbunden waren, wurden diese Papiere schnell unverkäuflich. Banken, die zuviel Geld in diese Schuldverschreibungen investiert hatten, konnten ihren finanziellen Verpflichtungen plötzlich nicht mehr nachkommen, wurden also insolvent. Oder sie gerieten unter das gesetzlich vorgeschriebene Eigenkapital-Minimum und mussten von der Bankenaufsicht geschlossen werden. So verloren nicht wenige Anleger bei den betreffenden Banken große Teile ihrer Vermögen. Zu den Anlegern gehörten wiederum andere Banken, die auf diesem Wege ebenfalls schwere Verluste erlitten.


© R.-T. Kühnle / Pixelio :: Bankkrise ;-)

Nebenbei sei erwähnt, dass man manche dieser teils kriminellen Vorgänge in den Papieren der deutschen Bankenaufsichtsbehörde BaFin nachvollziehen kann. Da überrascht es wenig, wenn Bayerns Ministerpräsident Seehofer die dank Informations­freiheits­gesetz bisher frei zugänglichen BaFin-Akten dringend für die Öffentlichkeit sperren möchte und dafür viel Rückhalt im Bundesrat findet.

Wie oben angerissen, hängt die jetzige Misere stark mit dem (von den Banken eingeführten) Zinseszins zusammen. Dieser oft als Naturgewalt dargestellte Zusammenhang allerdings wird konsequent ignoriert und verschwiegen. Aber was bedeutet eigentlich Zinseszins und worin besteht das Problem?

Erklärung: Zins und Zinsesszins

Vom Zinseszins spricht man, wenn die Zinsen auf Bankguthaben nicht ausbezahlt, sondern dem Guthaben hinzugefügt werden. Dadurch wächst das zu verzinsende Bankguthaben stetig weiter. Dieses Wachstum verläuft exponentiell. Eine exponentielle Zahlenreihe ist z.B. die folgende: 1, 2, 4, 8, 16, 32, 64, 128, 256, 512, 1024. Dauerhaft exponentielles Wachstum wird meist funda­mental unterschätzt. Der ausgezeichneten Anschaulichkeit halber sei an dieser Stelle noch einmal auf das altbekannte Beispiel des sogenannten "Josephspfennigs" verwiesen:

Hätte Josef seinem Zögling Jesus im Jahr 1 ein Sparbuch zu fünf Prozent Jahreszins eröffnet und einen Pfennig eingezahlt, so wäre das Guthaben - Inflationen und Währungsreformen einmal ausge­klammert - bis zur Gegenwart auf eine Summe im Gegenwert von etwa 132 Milliarden Erdkugeln aus purem Gold angewachsen!

Dass exponentielles Wachstum nicht ewig anhalten kann, ist spätestens jetzt sicher jedem klar. Deshalb finden wir in der Natur exponentielles Wachstum meist auch nur zu Beginn eines Prozesses. Danach verlangsamt sich das Wachstum zusehends. Ein Finanzsystem, das - wie unser Zentralbankensystem - auf einem permanenten exponentiellen Wachstum von Vermögen und Schulden basiert, hat also automatisch ein eingebautes Verfallsdatum. In Anlehnung an das "Peak Oil" genannte globale Ölfördermaximum wird diesbezüglich auch immer häufiger von einem "Peak Credit" gesprochen, der etwa alle 60 bis 70 Jahre erreicht wird.

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Autor: Root   
Thema:  Krise, Wirtschaft
Veröffentlicht: 09.04.2009, 14:51 Uhr

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