Donnerstag, 1. Mai 2008

Männertag ?!

Regelmäßig am zweiten Donnerstag vor Pfingsten rotten sich kleine Grüppchen erlebnishungriger Männer zusammen und ziehen bis zu den Zähnen mit Alkohol bewaffnet in die frühlingsgrünen Fluren hinaus. Diese Himmel­fahrts­kommandos bleiben selbst im dichtesten Wald selten unbemerkt, da sie nur schwer zu überhören sind. Denn das Singen von Wander- und Trinkliedern gehört offenbar zum Brauchtum. Und was an Musikalität und stimmlichen Fähigkeiten fehlt, wird mit Lautstärke ausgeglichen. Aber wie in aller Welt ist denn der christliche Himmel­fahrtstag zu der im letzten Jahrhundert eingebürgerten Sauftour mutiert? Dafür gibt es verschiedene Theorien, aber nach meinem Kenntnisstand keine gesicherten Fakten. Trotzdem lohnt es sich, zu diesem Anlass ein wenig tiefer in die Materie einzudringen.

Anderthalb Tage nach seiner Hinrichtung (nach altertümlicher Zählung am dritten Tag) wurde Jesus an einem frühen Sonntag­morgen von Gott wieder zum Leben erweckt. Deshalb feiern wir nicht nur Ostern (das Auferstehungsfest) an einem Sonntag, sondern haben auch den wöchentlichen Feiertag von ursprünglich Samstag auf Sonntag verlegt. In Anlehnung an den jüdischen Sabbat, der in 2.Mose 20,10 als "Ruhetag des Herrn" (Gottes) bezeichnet wird, etablierte sich unter den Christen die Bezeichnung "Tag des Herrn" für den Sonntag.

Doch der eigentliche Herrentag Jesu ist ein anderer. Vor seiner Festnahme und Hinrichtung sprach Jesus davon, dass er jetzt verherrlicht werde (vgl. Joh 13,31). Dabei bezog er sich scheinbar auf seinen Tod, seine Auferstehung und die gesamte Zeit danach. Und tatsächlich nahm Jesus nach seiner Rückkehr ins Leben für sich in Anspruch, nun der uneingeschränkte Herr zu sein (vgl. Mt 28,18). Am 40. Tag, also knapp sechs Wochen nach seiner Auferstehung, fand diese Verherrlichung ihren vermutlichen Höhepunkt. Nämlich an jenem Tag, an dem er den biblischen Berichten zufolge zu seinem Vater in den Himmel zurück kehrte. (Mk 16,19, Lk 24,51 und Apg 1,9).

Ob unser darauf zurück gehendes Himmel­fahrts­fest den Beinamen "Herrentag" nun aus dieser Tatsache bezog, oder daher, dass einige alte Traditionen vom Sonntag Rogate auf das Himmel­fahrts­fest verlegt wurden, lässt sich indes nicht mehr klären. Dass aber die Männerwelt ohne Hintergrund­wissen unter "Herrentag" nur einen Tag verstehen konnte, der ihrem Geschlecht gewidmet sein musste, lässt sich leicht aus der typisch menschlichen, genauer männlichen Arroganz ableiten. Wer anders sollte schon mit "Herr" gemeint sein?! Und wie anders sollte man einen solchen Tag begehen, als mit Alkohol­exzessen?!

Wahrscheinlich aus einer Mischung von Rogate-Prozessionen (Gebets­wanderungen für ein fruchtbares Jahr) und heidnischen Flurbegehungen zum selben Zweck bildete sich also - wie zu erwarten - Ende des 19. Jahrhunderts im Berliner Raum endlich der heutige Männertag heraus und erfreute sich rasch wachsender Beliebtheit. Nicht nur bei Braumeistern, Kneipiers und Bordell­besitzern.

Eine völlig andere Geschichte hat übrigens der Vatertag. Er wurde 1974 in den USA im Ausgleich zum Muttertag eingeführt. Dort begeht man diesen familiären Ehrentag am dritten Junisonntag. In Deutschland hingegen ist häufig im Zusammenhang mit Christi Himmelfahrt vom Vatertag die Rede. Möglicherweise hat aber auch dies mit der Rückkehr Jesu zu seinem Vater zu tun. Jedenfalls können wir also mittlerweile aus drei verschiedenen Feiertags­anlässen ganz individuell den uns genehmen wählen. Dieses Jahr gibt es als Bonus sogar noch den Tag der Arbeit dazu. (Das nächste Mal wird erst im Jahr 2160 sein.) Ein Prost auf den Pluralismus!

Autor: Root   
Thema:  Gesellschaft, Gott
Veröffentlicht: 01.05.2008, 16:17 Uhr

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